Ithaka

Brichst du auf gen Ithaka, wünsch dir eine lange Fahrt, voller Abenteuer und Erkenntnisse.
— Konstantinos Kavafis

14.11.2024

In einem längeren, tiefgründigen Gespräch macht mich der feinfühlige Ivan, der an der Rezeption meines Hostels in Athen arbeitet, auf das Gedicht Ithaka (siehe unten angefügt) aufmerksam.

Es lehnt sich an die Geschichte von Odysseus aus der griechischen Mythologie an, doch ist zeitlos. Nach meinem Verständnis kann dessen Inhalt auf ein gesamtes Leben, aber ebenso auf einen einzelnen Lebensabschnitt oder eine längere Reise bezogen werden.

Es gibt mir einige Denkanstösse und Ratschläge für meine weitere Reise – meine Reise durch die Welt, aber auch meine innere Reise.

Man braucht sich vor nichts zu fürchten, wenn man mit reinem Herzen und guten Absichten in die weite Welt hinausgeht. Es braucht Offenheit, Unvoreingenommenheit und die Bereitschaft in unserer Seele, uns von Begegnungen und Erlebnissen überraschen zu lassen. Es braucht Gelassenheit, ein Eintauchen in die Welt und die Fähigkeit, sich Zeit zu nehmen, um an verschiedenen Orten wertvolle Erfahrungen zu machen und von anderen zu lernen. Manchmal braucht es auch ein Innehalten und Geniessen.

Ein fernes Ziel, ein Ithaka, sollte trotz allem nicht ausser Acht gelassen werden.

Es braucht also sowohl einen Weg als auch ein Ziel. Ohne Ziel ist der Weg sinnlos, und ohne Weg ist das Ziel nicht zu erreichen.

Am Schluss wird einem nicht die Zielerreichung, sondern der Weg und die Erlebnisse Erfüllung schenken. Ohne Ziel, ohne Ithaka, wären diese Erfahrungen nicht möglich gewesen.

Bei der Verabschiedung gibt es eine herzliche Umarmung. Danke, Ivan, dass du mir von Ithaka erzählt hast. Ich werde es auf meiner weiteren Reise in meinem Herzen tragen.

„Brichst du auf gen Ithaka,
wünsch dir eine lange Fahrt,
voller Abenteuer und Erkenntnisse.
Die Lästrygonen und Zyklopen,
den zornigen Poseidon fürchte nicht,
solcherlei wirst du auf deiner Fahrt nie finden,
wenn dein Denken hochgespannt, wenn edle
Regung deinen Geist und Körper anrührt.
Den Lästrygonen und Zyklopen,
dem wütenden Poseidon wirst du nicht begegnen,
falls du sie nicht in deiner Seele mit dir trägst,
falls deine Seele sie nicht vor dir aufbaut.

Wünsch dir eine lange Fahrt.
Der Sommer Morgen möchten viele sein,
da du, mit welcher Freude und Zufriedenheit!
in nie zuvor gesehene Häfen einfährst;
halte ein bei Handelsplätzen der Phönizier
und erwirb die schönen Waren,
Perlmutter und Korallen, Bernstein, Ebenholz
und erregende Essenzen aller Art,
so reichlich du vermagst, erregende Essenzen;
besuche viele Städte in Ägypten,
damit du von den Eingeweihten lernst und wieder lernst.

Immer halte Ithaka im Sinn.
Dort anzukommen ist dir vorbestimmt.
Doch beeile nur nicht deine Reise.
Besser ist, sie dauere viele Jahre;
und alt geworden lege auf der Insel an,
reich an dem, was du auf deiner Fahrt gewannst,
und hoffe nicht, daß Ithaka dir Reichtum gäbe.

Ithaka gab dir die schöne Reise.
Du wärest ohne es nicht auf die Fahrt gegangen.
Nun hat es dir nicht mehr zu geben.

Auch wenn es sich dir ärmlich zeigt, Ithaka betrog dich nicht.
So weise, wie du wurdest, und in solchem Maß erfahren,
wirst du ohnedies verstanden haben, was die Ithakas bedeuten.“

– Konstantinos Kavafis

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