Anfang

Aller Anfang ist schwer.
— Sprichwort

16.09.2024

Wo war schon wieder der Kugelschreiber? In welcher Tasche steckt der Benzinkocher? Das Gepäcksystem ist mir noch nicht vertraut.

Zum Glück kann ich im Zweifelsfall telefonisch bei Sofia nachfragen, die beim Packen den Lead übernommen hatte.

Sie kann das einfach besser.

Apropos Benzinkocher: Den testete ich am zweiten Tag auf dem Hirzel zum ersten Mal. Ein vorheriges Ausprobieren wäre hilfreich gewesen. Jedenfalls öffnete ich den Benzinhahn zu lange, und der ganze Kocher fing Feuer! Selbst das Brett, das ich vor Ort gefunden und daruntergelegt hatte, brannte. Geistesgegenwärtig drehte ich den Hahn zu, und die Flamme erlosch langsam. Anschliessend gelang es mir, Linsen zu kochen. Das ganze Prozedere – alles auszupacken, zu kochen und wieder einzupacken – kostete mich eine Unmenge an Zeit. Mit Übung wird das sicherlich schneller gehen. Das darauffolgende Verdauungsschläfchen dauerte so lange, dass ich mich sputen musste, um noch rechtzeitig nach Plan beim Zeltplatz in Murg am Walensee anzukommen. Da ich nach rund zwei Wochen mit Sofia in Triest für ein Wochenende verabredet bin, sind die ersten Tage ziemlich durchgetaktet.

Entlang vom Walensee durchfahre ich einige Tunnels. Macht keinen Unterschied, ich habe jetzt sowieso nur noch den Tunnelblick.

Tatsächlich erreiche ich Murg erst bei Einbruch der Dunkelheit. Das Zelt hatten wir am Vorabend im Elternhaus zum ersten Mal ausgepackt und pro forma aufgestellt. Nun muss ich es im Dunkeln zum ersten Mal alleine aufbauen. Zum Glück kann ich wiederum meinen Telefonjoker Sofia einsetzen. Die Rezeption hat bereits geschlossen, also habe ich keinen Badge für die Dusche oder Küche. Körperlich völlig erschöpft fühle ich mich auch noch fiebrig, mit Hals- und Kopfschmerzen. Was, wenn ich krank werde? Und das vor der Alpenüberquerung. „Ich werde nicht krank“, rede ich mir ein. Für das Kochen auf meinem Benzinkocher habe ich keine Nerven mehr. Zum Glück öffnet mir jemand die Türe zum Duschraum. Wenigstens gibt es eine heisse Dusche. Das heisse Wasser nutze ich auch gleich, um Haferflocken mit etwas Honig zu mischen und als Brei zu essen. Nein, nicht lecker, aber was soll's? Hauptsache Kalorien mit möglichst geringem Aufwand.

Bereits um 04:45 Uhr erwache ich. Für den späteren Nachmittag ist schlechtes Wetter angesagt, also wollte ich sowieso früh los. Warum also nicht gleich zusammenpacken und losgehen? Gedacht, getan. Die Campingplatz-Verantwortliche ist auch Frühaufsteherin und kassiert, trotz Insistieren, noch den vollen Betrag, obwohl ich keinen Badge hatte.

Egal, nichts wie los.

Unterwegs buche ich mir ein tolles Hotel mit Wellness in Klosters – das gibt mir neue Motivation. Wie sich herausstellt, kenne ich den Besitzer sogar zufällig: Ich hatte ihn vor drei Jahren bei einer Fahrradtour auf dem San Bernardino kennengelernt. Mit der Aussicht auf Erholung im Hotel schaffe ich es, trotz einer unfreiwilligen “Mountainbike-Strecke”, steilen Aufstiegen im Kies und miesem Wetter, völlig ausgehungert und müde nach Klosters. Vermeintlich einfache letzte Höhenmeter auf der Rolltreppe am Bahnhof in Klosters: Vor Erschöpfung entgleitet mir mein Fahrrad und falle ich um. Abgesehen von ein paar Schürfwunden bleibt dies aber folgenlos.

Ja, aller Anfang ist schwer. Ich beisse mich durch.

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