Eiserne Wilma

Unsere Hoffnung ist Zuversicht und Wunsch. Unser Wille ist ihr Fundament.
— Bernd Blase

27.10.2024

Eiserne Wilma” - so heisst mein Fahrrad nun. Der Name hat das Rennen in einem hochstehenden Namenswettbewerb in einem meiner Freundeskreise gewonnen. Passt perfekt zu meinem Gefährt aus Stahl und meiner bisherigen Fahrt darauf.

Beim morgendlichen Kaffee in Vlora sehe ich das holländische Pärchen auf dem Tandem vorbeifahren. Leider hören sie meine Rufe nicht. Herausforderung, sie aufzuholen, angenommen. Doch gerade da, wo der Anstieg zum Llogara-Pass beginnt und ich mir die besten Chancen zum Einholen ausrechne, habe ich meinen zweiten Platten der Tour.

Bei einem grossen Nagel mitten im Pneu hilft halt auch eine Eiserne Wilma mit laut Werbung "unplattbaren" Schwalbe-Reifen nichts mehr.

Der Schlauchwechsel dauert ziemlich lange. Irgendwann habe ich ihn dann aber doch zum Aufpumpen bereit. Den nötigen Aufsatz habe ich seit dem letzten, beziehungsweise ersten Platten, ja auch. Doch irgendwie komme ich mit meiner Pumpe nicht zurecht.

Glücklicherweise passierte der Platten gleich neben einem Automechaniker Laden; sie helfen mir mit dem Aufpumpen aus. Der Pass ist ziemlich anstrengend.

Ausserdem ist es neblig.

Die erwartet schöne Aussicht, vor allem auf der anderen Seite, wo man das Meer sehen würde, scheint in weite Ferne zu rücken, obwohl ich ihr immer näher komme.

Dann die Überraschung: Die andere Seite ist nebelfrei. Ich entschliesse spontan, auf dem Pass zu übernachten, finde ein nicht fertig gebautes Haus dafür, das nur aus Säulen und Böden besteht, ausgerichtet mit Blick auf das Meer, versteht sich.

Mit der Drohne habe ich gleich zwei Meere in der Linse. Nebel und Wasser.

Das holländische Pärchen sehe ich auf meiner Tour leider nicht mehr, erfahre aber später, dass ich sie auf dem Pass offenbar nur ganz knapp verpasst habe, was ich von ihnen auf Social Media erfahre und sie durch zwei französische Radler mit leichtem Gepäck, die mich und sie aufholten.

Ich gönne mir in einem Pass-Restaurant mein Nachtessen, komme mir auf dem Rückweg zu meinem Zelt allerdings ein wenig wie eine Person ohne Obdach vor. Da ich nun wegen dem Platten weniger als geplant fahren konnte, habe ich am nächsten Tag die strengste Etappe mit den meisten Höhenmeter der gesamten bisherigen Tour vor. Denn ich möchte es trotzdem bis Sarandë schaffen, habe ich dort doch am Vortag morgens, also noch just vor dem Platten, bereits eine Unterkunft gebucht.

Wo eine Eiserne Wilma, da ein Weg.

Auf dem Abstieg vom Pass am nächsten Tag steht in einer Kurve ein Wohnmobil mit einem Berner Nummernschild. Es ist, als hätten Oskar und Anita nur auf mich gewartet. Sie bereiten mir spontan ein Frühstück aus Kaffee, Brot, Käse und Mandarinen vor. Was für ein Start in den Tag! Was für tolle Menschen! (Schreibt mir, wenn ihr das lest). Gestärkt schaffe ich es tatsächlich genau rechtzeitig zum Sonnenuntergang bis nach Sarandë.

Nun habe ich mir zwei freie Tage verdient.

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