Festmahl

Ein Leben ohne Feste gleicht einer weiten Reise ohne Einkehr.
— Demokrit

26.10.2024

Von Tirana geht es wieder zurück aufs Land. Etwa ein Drittel aller Albaner arbeiten im Landwirtschaftssektor. Was man im ganzen Land immer wieder sieht, sowohl in den Bergen wie auch in landwirtschaftlichen Gebieten, sind "Beton-Köpfli": Alte Bunker aus der Zeit des Kalten Krieges. Zehntausende hat der damalige Staatschef bauen lassen. Zudem erreiche ich heute zum ersten Mal seit Kroatien auch wieder das Meer. Durrës, ein beliebter Badeort, ist wie ausgestorben.

An der Strandpromenade schlendern nur ganz wenige entlang, der Strand ist praktisch leer. Dass es hier in der Hochsaison ganz anders zugeht, davon zeugen all die Hotels, Bars und Restaurants, von denen nun viele geschlossen sind.

Ich möchte heute im Divjaka-Karavasta-Nationalpark übernachten, der ebenfalls direkt am Meer liegt.

Hier stehen Bäume, die mehr als 400 Jahre alt sind. Ausserdem hat es viele Wasservögel und es ist auch ein wichtiges Überwinterungsgebiet von Zugvögeln.

Auf dem Weg begrüsst mich schon einmal eine Schildkröte.

Eine "griechische Landschildkröte", wie sich bei einer späteren Recherche herausstellt. Hat sich wohl nach Albanien verirrt. Ich fahre tief in den Wald hinein, am Strand weiter, über eine Brücke, bis ich mein Zeltplatz direkt zwischen Schilf und seeartigem Gewässer im Sand ausfindig gemacht habe.

Und da ist es auch schon: Das Festmahl!

Endlich kann mal wieder ungeniert zugegriffen werden. Es hat für alle etwas. Also für alle ausser für einen. Ich greife nicht zu. Ich bin das Festmahl.

Tausende Mücken scheinen nur auf mich gewartet zu haben. Der Mückenspray verdirbt etwas den Festschmaus. Aber nur etwas, zustechen kann man ja trotzdem noch. Ich versuche das Zelt nur ganz kurz zu öffnen und gleich darin zu entschwinden. Trotzdem zerklatsche ich während meinem eigenen etwas weniger üppigen Nachtessen im Zelt noch 5 Stück. Zwischen Innen- und Aussenzelt sehe ich all die anderen, die es nicht ganz rein geschafft haben. Sie müssen sich wohl vorkommen, als würde ihnen die ganze Nacht der Speck durch den Mund gezogen.

Bei Sonnenaufgang bietet sich ihnen die nächste Gelegenheit, den lasse ich mir mit meiner Drohne nämlich trotzdem nicht entgehen und werde mit schönen Bildern belohnt. Dann aber packe ich schnellstmöglich zusammen und flüchte.

Bei Parkausgang knirscht mein Fahrrad, überall Sand.

Nun gut, dann ist jetzt die Gelegenheit gekommen, ein Lavazh auszuprobieren, die hier in Albanien gefühlt in zuverlässigen Abständen von 600 Metern vorzufinden sind. Ein kleiner Platz mit Wasserschlauch, auf dem jemand ein Autowaschbusiness betreibt und den ganzen Tag Autos wäscht. Oder in meinem Fall eben das Fahrrad, wobei der Waschgang ebenso ernst und genau genommen wird. Es wird anfangs sogar eingeschäumt.

So sauber war mein Fahrrad wohl noch gar nie.

Gegen Abend habe ich fast kein Wasser mehr. Ich frage in zwei Restaurants nach Wasser und bekomme in beiden eine Flasche gratis, obwohl ich auch etwas bezahlen würde. Somit bin ich wieder genügend aufmunitioniert für die Nacht. Nun möchte ich mir noch ein Glacé gönnen; es darf ja auch mal ein Festmahl für mich geben. Erst an der Kasse des Minimarkets merke ich allerdings, dass ich alles Kleingeld dem Lavazh-Typen gegeben habe. Kurzerhand kriege ich auch dieses kostenlos.

Herzlich, diese Albaner*innen.

Weiter gehts zur Lagune von Narta, Teil des Landschaftsschutzgebietes Vjosa-Narta, wo ebenfalls viele Vögel zuhause sind.

Hier mündet die Vjosa, einer der letzten wilden Flüsse Europas, ins Meer. Oder besser gesagt, sie versandet hier.

Es scheint sich herumgesprochen zu haben, dass dieses Gebiet schön ist: Offenbar will Jared Kushner, Trumps Schwiegersohn, hier ein Luxusresort bauen lassen. Ein Flughafen in der Nähe steckt bereits im Bau. Auf politischer Ebene wird argumentiert, dass dieses Gebiet nicht mehr zum 2023 erklärten Vjosa-Schutzgebiet zähle - höchst umstritten. Jedenfalls habe ich vor Ort noch nichts davon mitbekommen. Und die Mücken offenbar auch nicht, die mir auch hier zahlreich um die Ohren fliegen.

Ein weiteres Festmahl...

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Eiserne Wilma

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