Film

Das Leben ist vergleichbar mit einem Film. Du entscheidest, ob du Regisseur bist, oder bloss Statist.
— Robin Müller

01.12.2024

Die Wüste habe ich mir immer ganz klassisch vorgestellt: Sanddünen bis zum Horizont, wohl auch, weil einem Filme und Bilder oft dieses Bild vermitteln.

Doch die Wüste hat ganz verschiedene Gesichter.

Das merke ich hier immer wieder. Farblich kann es von hell- und dunkelbraun, über rot bis schwarz gehen. Von der Beschaffenheit von Sand, über Schiefergestein bis zu Felsen. Auch einzelne hartgesottene Pflanzen sind teilweise zu finden: von Grasbüschel, über flechtenartige Pflanzen am Boden, bis zu kleinen Bäumchen. Und natürlich sehe ich auch Tiere: von vielen Kamelen, über Esel bis zu Schafen und Ziegen. Eines ist der Wüstenlandschaft jedoch gemein: Sie kommt karg daher.

Mitten in der Wüste durchfahre ich einen Torbogen. Nun säumen gewässerte Pflanzen die Strassenseiten und den Mittelstreifen. Es scheint sich um ein Dorf zu handeln, doch bis auf ein Regierungsgebäude sind kaum Häuser zu sehen. Im Park, der folgt, mache ich auf dem künstlichen Gras eine Mittagspause. Die kleinen Dächer, die Schatten spenden sollten, verfehlen ihr Ziel: Ihr Schattenwurf fällt erst knapp auf das Rasenende, vor allem jedoch auf die Steinpromenade, nicht aber auf die Bänke.

Ich komme mir vor, als wäre ich im falschen Film.

So lege ich mich halt hin. Auch sonst wirkt dieser Park wenig durchdacht und irgendwie fehl am Platz. Das sehe ich in Saudi-Arabien immer wieder. Meistens sind darin auch Spielplätze zu finden. In meinen Augen oft lieblose Plastikgestelle, die ich dementsprechend auch selten in Gebrauch sehe. Doch für meine Mittagspause tut dieser Park seinen Dienst.

Bei der Weiterfahrt komme ich an einem Supermarkt vorbei, wo ich mir einen kühlen Erdbeerjoghurtdrink gönne. Herrlich. Solche kleinen Erfrischungen schätzt man in dieser karstigen Umgebung noch viel mehr. Nun geraten eindrucksvolle Berge in mein Sichtfeld.

Ein Auto hält vor mir an und eine Kinderhand streckt mir vom Rücksitz eine Packung Popcorn entgegen.

Das passt ja wunderbar, dann kann ich die Natur-Doku, die sich gewissermassen vor meinen Augen abspielt, gebührend geniessen. Okay zugegeben: Im Fernseher gibt’s vielleicht jeweils noch ein bisschen mehr Action. Hier wirkt es eher nach Zeitlupe.

Doch immerhin tauchen bald drei Kamele auf.

Ich mache ein Fotoshooting. Das Kamel meiner Wahl scheint allerdings nicht viel Modelerfahrung zu haben, denn es ist scheu und rennt mir immer wieder davon.

Zum Abschluss des heutigen Tages blüht mir noch eine richtig steile Strasse. Der Zeltplatz mit Aussicht soll ja schliesslich verdient sein. Schilder weisen darauf hin, dass Lastwagen hier wegen der Steilheit nicht hochfahren dürfen. Ich merke rasch, dass auch ich mit meinem Fahrrad an den Anschlag komme. Ich setze mich an die Strassenseite, esse ein paar Datteln und hoffe auf eine Mitfahrgelegenheit. Wieder einmal bin ich auf andere angewiesen. Einige Autos fahren hoch, doch alle zu klein für mein Fahrrad, sodass ich gar keine Stop-Zeichen mache.

Ein Auto in die Gegenrichtung hält. Es ist ein Russe, der sich mit seinem Auto auf Weltreise befindet. Er ist interessiert an meiner Reise. Cadillactraveler, so heisse er auf den Sozialen Medien. Anstandshalber frage ich kurz nach, und schon hantiert er mit einer Kamera um mich herum, plärrt irgendwas Russisches, bis er mich noch kurz etwas auf Englisch fragt. Vielleicht bin ich ja bald ein Youtubestar. Hoffentlich nicht. Das Gleiche könnte mir auch auf TikTok blühen, denn diese App ist bei Einheimischen hier nämlich sehr beliebt, weshalb ich nicht selten, oft aus dem Auto heraus, ungefragt gefilmt werde. Erstaunlich, dass Russen nach wie vor so grosse Reisefreiheit für eine Weltreise geniessen, denke ich mir.

Cadillactraveler hin oder her, ich versuche dennoch, die Strasse für eine mögliche Mitfahrgelegenheit im Blickfeld zu behalten. Hier zu übernachten ist nämlich keine Option. Und tatsächlich fährt gleich nach Drehschluss ein Pickup hoch. Ich bringe ihn zum Anhalten und frage nett, ob ich mitfahren darf. Ja klar, ich könne bis Al'Ula mitfahren. Tönt zwar verlockend, da ich dort sowieso auch hin möchte, doch ich widerstehe. Ahmed spricht sogar gutes Englisch. Er lädt mich zu sich nach Hause ein, wenn ich dann in Al'Ula bin. Umso besser. Ich verabschiede mich herzlich.

Die Aussicht vom Zeltplatz ist wie erwartet grandios.

Ich stelle mein Zelt fast an die Kante, mit Blick auf tausend Berge. Die Berge glühen rot im Abendlicht. Das Glühen wird immer kleiner, bis es auch die höchsten Bergspitzen verlässt. Es könnte in Zeitraffer der Abspann der Naturdoku sein, nur die Namen fehlen. Es windet etwas.

Zur Sicherheit mache ich das Zelt mit Spannseilen an meinem Fahrrad fest. Und das stellt sich als sehr gute Idee heraus, denn in der Nacht wird es nämlich noch einiges windiger. Hätte ich mein Zelt doch nur nicht so nah an die Kante, sondern hinter den Busch gestellt. Hätte ich es doch zumindest nicht mit der Breitseite in den Wind gestellt. Es lässt sich jetzt nicht mehr ändern. Ich wollte halt die optimale Aussicht. Es wird eine unruhige Nacht mit wenig Schlaf.

Naturdoku für alle Sinne.

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