Die Sonne geht unter, doch ich habe mein Ziel noch immer nicht erreicht, und andere Zeltmöglichkeiten gibt es hier nicht. Also fahre ich das letzte Stück im Dunkeln weiter, im Slalom um die Strassenlöcher.
Plötzlich kommt mir ein Auto entgegen, hält an und lässt die Scheibe herunter. Fünf Männer sitzen drin, zumindest schätze ich das aufgrund der Dunkelheit und getönten Scheiben. Sofort spüre ich negative Vibes.
Ich erinnere mich daran, gestern gelesen zu haben, dass die albanische Mafia ziemlich aktiv ist. Sind das Mitglieder der albanischen Mafia? Sie fragen mich, ob ich morgen die Fähre nehmen möchte. Als ich das bejahe, sagen sie mir, dass ich unbedingt die Rozafa-Fähre wählen soll und ich heute auch auf dem Gelände ihres Büros übernachten dürfe. Hinsichtlich Schlafplatz lehne ich dankend ab. Betreffend der Fähre verspreche ich nichts. Ich wusste nicht einmal, dass es mehrere Fähren gibt, und nehme mir vor, heute Abend noch zu recherchieren, um morgen eine Entscheidung zu treffen. Sie werden mich dann morgen beim Hafen sehen, meinen sie noch, was eher bedrohlich als freundlich klingt, und fahren weiter.
Irgendwann erreiche ich mein Ziel: eine Wiese gleich unterhalb der Strasse.
Als ich vom Fahrrad steige, erkenne ich im Dunkeln plötzlich eine Gestalt einige Meter entfernt von mir. Ich erstarre.
Ich versuche, kein Geräusch von mir zu geben und einfach zu beobachten. Kennt die Mafia diesen Schlafplatz etwa auch und wartet hier auf mögliche Überfallsopfer? Die Gestalt bewegt sich langsam, mit Blick zu mir, auf mich zu. Als der Abstand nur noch wenige Meter beträgt, nimmt der Umriss mehr Gestalt an. Plötzlich erkenne ich, dass da eine Kuh auf mich zuläuft. Doch dahinter ist noch etwas. Der dazugehörige Bauer vielleicht? Nein, es ist eine zweite Kuh, wie sich Sekunden später herausstellt.
Beim Zeltaufstellen mache ich die Stirnlampe immer wieder aus, wenn ein Auto vorbeifährt, was etwa viermal vorkommt. Bloss nicht auffallen. Eine andere Schlafmöglichkeit habe ich jetzt nicht mehr. Im Zelt beruhige ich mich schliesslich. Meine Fährenrecherche ergibt, dass es tatsächlich drei verschiedene Fährboote gibt, wovon eines gar nicht anzuraten sei. Es sei das älteste und einfachste Gefährt, und es kursieren offenbar einige Schauergeschichten. Natürlich handelt es sich dabei um die Rozafa – wie könnte es anders sein. Der Name passt hierbei ja auch nicht schlecht, denke ich mir.
Um allfällige morgige Diskussionen mit mutmasslichen Mafiosi aus dem Weg zu gehen, kaufe ich online im Zelt ein Ticket für eine andere Fährgesellschaft.