Salah

Es muss von Herzen kommen, was auf Herzen wirken soll.
— Johann W. von Goethe

25.11.2024

Salah behandelt mich, als würde ich zur Familie gehören. Er ist überaus herzlich, besorgt und liebevoll.

Am gestrigen Abend hat er mir extra sein Handy in meinen Schlafraum gelegt, damit ich Internet habe – mein eigenes funktioniert irgendwie nicht richtig. Ich bekomme reichlich zu essen, spiele mit seinen Neffen Tischfussball, und am Nachmittag fährt er mich wie versprochen in die Wüste, ein Freund von ihm im Schlepptau.

Erst jetzt bemerke ich, dass ich gestern auf dem Pickup von Bender meine Regenjacke, meinen Ersatzreifen, einen Pulli und mein Badetuch verloren habe – alles, was hinten aufs Fahrrad gebunden war und offenbar davongeflogen ist. Salah erzähle ich nur von der Regenjacke, damit er sich nicht zu viele Sorgen macht. Mir selbst versuche ich einzureden, dass ich all diese Dinge nicht dringend brauche. Ärger runterschlucken, ablenken.

Auf dem Weg sehen wir viele Lastwagen, die für The Line im Einsatz sind, sowie eine Art Dorf für die Arbeiter.

Die Baustelle selbst kriegen wir allerdings nicht zu Gesicht.

Mitten in der Wüste ein Halt: Ein kleines, überdachtes Häuschen ohne Wände, das sich als Moschee herausstellt. Die beiden gehen beten. Tee darf natürlich auch nicht fehlen. Irgendwann lehne ich eine nächste Tasse ab, ich bin doch kein Kamel, gebe ich zu Protokoll. Gelächter.

Ohne sprachlich viel voneinander zu verstehen, lachen wir viel.

Dann erreichen und beklettern wir eine interessante Sandgesteinsformation. Die Erosion hat hier einen Bogen geformt. Anschliessend geht es zum Canyon, wo steile Wände emporragen. Daraufhin machen die beiden ein Feuer, und es gibt die drei hier meistgesehenen Nahrungsmittel: Tee, arabischen Kaffee und Datteln.

Am Abend fahren sie mich zu Benders Laden, um nachzufragen, ob die Regenjacke vielleicht dort ist. Leider nein. Ich mache mir Sorgen, dass Salah mir noch eine Jacke kaufen will, und beschwichtige ihn wiederholt: Es sei nicht so tragisch.

Tatsächlich möchte er mir seine dicke Winterjacke mitgeben. Unglaublich – er würde mir sein letztes Hemd geben, und wir kennen uns gerade einmal eineinhalb Tage! Ich lehne so bestimmt wie möglich ab. Für so eine dicke Jacke hätte ich sowieso keinen Platz.

Am nächsten Tag geht es dann wirklich los für mich. Eine anspruchsvolle Etappe liegt vor mir: Rund 100 Kilometer durch die Wüste bis zum Eingang des Wadi Disah.

Salah meint, dass er vielleicht übermorgen auch noch zum Wadi Disah kommt, um zu schauen, ob bei mir alles gut sei, aber er könne nichts versprechen.

Er bringt mich an den Stadtrand und ist spürbar traurig, dass ich ihn verlasse. Ich bin ebenfalls etwas wehmütig. Doch auch aufgeregt! Heute gehts nun wirklich los. Ausser es kommt wieder irgendetwas dazwischen. Das weiss man hier ja nie so genau...

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