Wüste

Einen Schuss Wüste braucht der Mensch - um des Glücks der Oase willen.
— Martin Kessel

26.11.2024

Wüste. Da hört man so einiges darüber, meist vor allem, dass sie ziemlich lebensfeindlich ist. Dies hat bei mir Ängste geschürt. Es kostet mich Überwindung. Ich musste mir selbst einigen Druck machen. Und so habe ich, für ein besseres Sicherheitsgefühl, so viel Essen wie noch nie in meinen Taschen verstaut und zusätzlich zu meinen sonstigen Trinkflaschen auch noch 10 Liter Wasser auf dem Vorderrad untergebracht. Viel Gewicht, dem ich bei der Streckenplanung keine Beachtung geschenkt habe. Gewicht, das nun beim Fahren aber im wahrsten Sinne des Wortes ins Gewicht fällt. Dementsprechend intensiv wird der erste Tag. Zwischenzeitlich bin ich sicher, dass ich mein heutiges Ziel nicht erreichen werde.

Ich passiere heute kein einziges Dorf, einzig Beduinenzelte sehe ich von Zeit zu Zeit.

Ein Auto hält neben mir und eine Hand streckt mir zwei Wasserflaschen entgegen. Wasser sollte ich ja eigentlich genug haben, doch die Geste berührt mich. Ich bin also doch nicht ganz allein. Das Auto ist mir extra hinterhergefahren und dreht danach wieder ab.

Mich rührt diese Geste zu Tränen. Einiges an Angst und Druck fällt von mir ab.

Auch zwei Orangen erhalte ich an diesem Tag durch ein Autofenster. Solche Gaben begleiten mich während all meiner Tage in der Wüste Saudi-Arabiens. Oft wird mir Wasser gegeben, manchmal Früchte und manchmal auch was ganz anderes Kulinarisches. Unvorstellbar in der Schweiz. Leider.

Eine grosse Tafel kündigt an, dass ich mich nun im Prince Mohammed Bin Salam Royal Reserve befinde.

Ich sehe Kamele und Esel. Die Strasse ist teilweise wellenartig - ein Auf und Ab. Ich kämpfe mich durch. Von weitem sehe ich eine steile Steigung und hoffe, dass meine Abzweigung ins Wadi Disah noch vorher kommt. Und genau so ist es. Doch plötzlich ist da ein grosses Schild auf der Strasse: Strasse gesperrt. Im Internet hatte ich gelesen, dass auch schon andere an der nordöstlichen Einfahrt in dieses wunderschöne Tal gehindert wurden. Das darf doch nicht wahr sein.

Umdrehen ist für heute keine Option - die Beine sind schon sehr schwer, und der Tag ist alt. Zur Abzweigung zurück und der Strasse weiter Richtung Süden zu folgen, ist zumindest heute auch nicht denkbar, denn dann würde die erwähnte harte Steigung folgen, die meine Beine jetzt nicht mehr bewältigen würden. Und so versuche ich, möglichst unauffällig dem Eingangskontrollhäuschen vorbeizufahren. Ein Auto kommt mir entgegen. Es sei kein Problem durchzufahren, meint der saudische Fahrer, obwohl er mein Fahrrad dann doch kritisch beäugt. Das beruhigt mich.

Nach einigen hundert Metern leichter Steigung geht die Strasse steil hinab - hinab in eine völlig andere Landschaft.

Diese Weite plötzlich! Diese Fernsicht. Es öffnet mir das Herz. Tausende Berggipfel glitzern im Abendlicht.

Es ist, als wäre ich von einem Moment zum nächsten in einer völlig anderen Realität angekommen. Die schweren Beine sind vergessen. Ich komme aus dem Staunen nicht mehr heraus, halte immer wieder an, um Fotos zu machen. Die Strasse schlängelt sich ein paar weitere Höhenmeter hinauf, bevor sie wiederum steil bergab fällt.

Ich schaffe es gerade noch bei Tageslicht das Zelt hinter einer schroffen Felswand aufzustellen.

Ich habe die Wüste einen ersten Tag überlebt.

Einige Wolkenflocken verfärben sich rot. Das perfekte Ende eines strengen Tages.

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Sand

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Salah