Seen

Die Seele eines Menschen ist wie ein See. Wenn man einen Stein hineinwirft, wird er unruhig, es gibt Wellen. Irgendwann beruhigen sich die Wellen und die Oberfläche ist wieder glatt, aber auf dem Grund bleibt der Stein für immer liegen.
— Unbekannt

24.09.2024

Seen strahlen Ruhe aus. Sie sind Sehnsuchtsorte für mich. Ich hangle mich für ein paar Tage von See zu See.

Die Route führt mich vom Pragser Wildsee in Italien zum Weissensee in Österreich und von dort weiter zum Bleder See in Slowenien.

Bis Lienz geht es vom Pragser Wildsee aus vor allem bergab, dann wird es zwischenzeitlich flach. Etwas Gegenwind kommt auf. Eine Dame im gesetzten Alter überholt mich mit ihrem E-Bike. Ich frage sie frech, ob ich in ihrem Windschatten fahren darf. Sie winkt ab. Doch wir kommen ins Gespräch. Sie wohnt in der Region, hat einen Ausflug nach Lienz gemacht und ist auf dem Heimweg. Ich erzähle ihr von meiner Reise. Als dann plötzlich mehr Gegenwind aufkommt, gibt sie mir mit einem Handzeichen zu verstehen, dass ich nun ihr Windschattenplätzchen haben darf. Als es allerdings etwas bergauf geht, kann ich ihr kaum noch folgen. Da ich kein Wasser mehr habe, frage ich sie nach einem Brunnen. Sie zeigt mir einen, danach muss ich sie ziehen lassen.

Am Ende des Tages wartet ein knackiger Aufstieg zum Weissensee mit teilweise bis zu 16 % Steigung.
Da fühlt sich mein Gepäck tonnenschwer an.

Der geplante Ruhetag morgen hilft mir mental, und ich schaffe es, ohne abzusteigen. Das Hotel Winkler-Tuschnig gibt mir ein Upgrade von einem Einzel- zu einem tollen Doppelzimmer mit Seeblick, "damit ich mich auch sicher gut erholen kann". Es hat sich also gelohnt, bei der Buchung den Link zu meiner Homepage mitzuschicken. Es stellt sich auch sonst als genau die richtige Unterkunft heraus, um meine Batterien wieder aufzuladen. Die Gastgeberfamilie ist sehr freundlich und aufmerksam. Gelebte, leidenschaftliche Gastfreundschaft ist hier spürbar! Sie waschen sogar meine Wäsche umsonst. Ich erfahre, dass einer ihrer Angestellten ebenfalls eine Weltreise mit dem Fahrrad plant. Leider kommt es zu keinem Treffen, da er erst am Mittag des übernächsten Tages zurückkommt. Dann bin ich bereits wieder weg. Mit riesigem Hunger bestelle ich im nahegelegenen Restaurant eine eineinhalbfache Portion einer lokalen Pasta-Spezialität plus Salat als Vorspeise. Ich merke, dass sich meine anfängliche Nervosität etwas legt und ich innerlich zu mehr Ruhe finde.

Dies zeigt sich auch daran, dass sich meine Schlafdauer langsam meinem gewöhnlichen Schlafbedarf von etwa acht Stunden annähert und nicht mehr bei fünf bis sechs Stunden liegt, wie zu Beginn der Reise. Der nächste Tag steht ganz im Zeichen der Homepage: Blogs schreiben, Fotos hochladen.

Auch an einem Tag,
an dem mein bestes Pferd (respektive Drahtesel) im Stall bleibt, gibt es viel zu tun.

Ein Bad im Weissensee lasse ich mir trotzdem nicht nehmen. Bei 16 Grad Wassertemperatur kommt das einem Kältebad gleich, dient glücklicherweise aber auch der Regeneration. Am Weissensee hat fast jedes Hotel einen privaten Boots- oder Badesteg. Öffentlich zugänglich ist nur ein kleiner Teil des Sees. Für meinen Geschmack etwas zu elitär. Nun ja, jedenfalls habe ich so auch meinen privaten Badesteg, denn den anderen Gästen meines Hotels sind die Bedingungen wohl zu garstig.

Lahm wie ein Lama, dieser Tag - so soll er sein.

Der Weg zum Bleder See mit über 100 Kilometern und 1175 Höhenmetern ist dann nicht mehr lahm. Zum Startpunkt am Ostufer bringt mich ein Kursschiff. Alternativ hätte ich wieder denselben Weg hinunterfahren müssen, den ich vorgestern hochgefahren bin, denn es gibt keinen Landweg zum Ostufer des Sees. Auf der Schifffahrt habe ich mit Waltraut, die ich im Hotel kennengelernt habe, eine nette Begleitung. Sie lädt mich sogar zu einem Drink ein und spendiert mir Salzbrezeln. Irgendwie scheine ich es auf dieser Reise gut mit den Waltrauts zu haben – schon die zweite nach "Wally" in Merano. Auch sonst ist die Fahrt toll. Der See mit Spiegeleffekt und die Landschaft mit Nebelschleier beeindrucken.

Wow, wenige Stunden später habe ich es über Italien nach Slowenien geschafft, das erste Land, in dem ich vor meiner Reise noch nie gewesen bin. Das Land begrüsst mich mit den wenigen Sonnenstrahlen, die ich heute zu Gesicht bekomme. Ein kurzer Wegabschnitt im Triglav-Nationalpark lässt mich die Unberührtheit mit riesigen Wäldern und Bergen in diesem Land erahnen.

Am Bleder See komme ich gerade noch bei etwas Tageslicht an. Da ist meine Drohne rasch in der Luft. Die Insel mit der Kirche mitten im See ist ein tolles Fotomotiv. Anschliessend heisst es: So schnell wie möglich einen Zeltplatz finden, das Zelt aufstellen und noch irgendwas zwischen die Beisserchen drücken. Und dann zur Ruhe kommen.

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