Verirrt

08.12.2024

Los geht es – für geplante sechs Tage in die Wüste. Rund 450 Kilometer bis nach Hail. Ahmed hat mir am Vorabend noch Mut zugesprochen: Wasser würde ich immer von irgendwoher bekommen. Auf jeden Fall konnte ich in Al'Ula eine neue eSIM eines anderen Anbieters als bisher kaufen, sodass ich nun öfter Internetzugang haben sollte.

Doch die Tafel zu Beginn der Strecke nimmt mir gleich wieder einiges an Mumm:

„Attention – Sandstorm Area“, steht dort in grossen Buchstaben. Definitiv kein Mutmacher. Diesen Hinweis sollte ich in den nächsten Tagen noch ein paar Mal zu Gesicht bekommen. Genauso wie den Hinweis auf „Attention – Camel Crossing Area Ahead“. Eine weitere Tafel weist darauf hin, dass Littering, Camping und Offroad-Fahrten hier verboten sind und mit hohen Strafen geahndet werden. Kein Littering passt mir sehr, eine Offroadfahrt im Sand habe ich ohnehin nicht vor. Doch Campen möchte ich eigentlich all die nächsten Tage.

Ich interpretiere die Tafel für mich einfach so, dass dies im Sharaan Nature Reserve nicht erlaubt ist, an dem ich entlangfahre und wo offenbar auch der König eine Residenz hat. Mein geplanter Zeltplatz liegt allerdings nicht innerhalb des Reservats.

Am ersten Tag werde ich von leichtem Rückenwind unterstützt, sodass ich zügig vorankomme. Gut so – schliesslich ist dies von den Kilometern und Höhenmetern her die anstrengendste Etappe der gesamten Reise. Unterwegs komme ich an einem riesigen Zeltlager vorbei und werde von zwei Pakistanern in einem Auto angesprochen. Sie fragen, ob ich nicht mit ihnen Mittagessen möchte. Sie arbeiten und wohnen in diesem Zeltlager und sind offenbar dafür mitverantwortlich, alles herzurichten, wenn Gäste aus Riad kommen – wahrscheinlich Gäste des Königs.

Aufgrund meines raschen Vorankommens sollte ein gemeinsames Mittagessen knapp möglich sein, und ich lasse mich zu einem „Ja“ hinreissen. Erst dann merken die beiden allerdings, dass ich ohne Akkreditierung gar nicht in ihr Zeltlager komme, wo gegessen wird. Kurzerhand geben sie mir ein volles Menü zum Mitnehmen mit auf den Weg: Reis, Fleisch und Gemüse. Mein Abendessen ist damit gesichert!

Viele kuriose Sandsteinformationen stehen mir an diesem ersten Tag Richtung Hail Spalier. Auch der Zeltplatz, den ich etwas abseits der Strasse wähle, liegt inmitten solcher Felsbrocken.

Auf einem davon mache ich es mir bei Sonnenuntergang gemütlich und geniesse das reichhaltige Menü!

Das Zelt steht an einem lauschigen Plätzchen im Sand, umgeben von ein paar Büschen und Bäumchen.

Am nächsten Morgen erkunde ich die Landschaft bei Sonnenaufgang zu Fuss. Getrieben von der Suche nach den besten Fotomotiven entferne ich mich immer weiter vom Zelt. Irgendwann beschliesse ich dann doch, zurückzulaufen – und laufe in die entgegengesetzte Richtung. Plötzlich merke ich, dass mir all die Felsformationen um mich herum überhaupt nicht bekannt vorkommen. Normalerweise kann ich mich auf meinen guten Orientierungssinn verlassen, doch jetzt bin ich verwirrt.

Habe ich mich tatsächlich verirrt?

Die so eindrucksvollen Fotomotive verwandeln sich in gespenstische Gestalten. Und als wäre das nicht genug, erinnert mich ein Kamelskelett an die Erbarmungslosigkeit der Wüste.

Tierspuren im Sand kann ich nicht zuordnen.

Besser, ich finde den Weg zum Zelt möglichst schnell wieder.

Alles sieht ähnlich aus – nichts gleich.

Zum Glück weiss ich auf einer Landkarte in etwa, wo sich das Zelt befindet, da ich den Platz gestern auch auf der Karte gesucht hatte. Ich nehme Google Maps zur Hilfe, doch es zeigt mir die falsche Blickrichtung an. Erst nach einigen hundert Metern und einem Update meines Standorts auf der Karte realisiere ich, dass ich in die falsche Richtung gelaufen bin. Also wieder umkehren.

Irgendwann kommen mir die ersten Felsen wieder bekannt vor. Schweissgebadet erreiche ich schliesslich mein Zelt. Der als kurzer Ausflug geplante Spaziergang bei Sonnenaufgang hat fast zwei Stunden gedauert. Fängt ja gut an, mein sechstägiger Trip in die Wüste.

Nun also rasch alles zusammenpacken, mich aufs Fahrrad schwingen und wieder los.

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Ahmed