Da packe ich doch gleich kurz die Drohne aus. Dann wird's streng. Höhenmeter um Höhenmeter kämpfe ich mich hoch. Kurz vor der Passhöhe zeigt sich ein fantastisches Panorama. Bergkette um Bergkette reihen sich hintereinander, je nach Entfernung in entsprechend anderer Schattierung. Die Herbstbäume vollenden das atemberaubende Gesamtbild mit ihren tollen Farben. Diesen Pass werde ich so schnell nicht vergessen. Als ich die Passstrasse wieder hinunterfahre, geht auch die Sonne langsam unter. Es wird frisch. Ich schaffe es aber noch bei etwas Restlicht nach Žabljak.
Auf der Suche nach einem Restaurant zum Aufwärmen, Nachtessen und Unterkunft buchen, höre ich auf der Strassenseite ein Miauen. Ein wenige Tage altes Kätzchen schleicht halb blind und hilfesuchend der Strasse entlang. Es scheint von der ganzen Welt vergessen gegangen zu sein. Völlig verloren. Herzzerreissend. Aber ich kann nichts für das kleine Tierchen tun. Im Restaurant realisiere ich, dass es gar nicht der Sedlo-Pass war, den ich gefahren bin, sondern die nördliche Strasse davon. Das ist mir nun auch wirklich noch nie passiert.
Auch finde ich im Restaurant eine passende Unterkunft für zwei Nächte, plane für den nächsten Tag einen Ruhetag ein. Doch wirklich ruhig wird dieser Tag nicht.
Als ich meine Drohnenfotos ins Internet laden möchte, fällt mir auf, dass eine Micro-SD-Speicherkarte fehlt. Mit ihr sind fast alle Fotos der letzten paar Tage verloren: Hochebene mit nebligem Sonnenaufgang in Bosnien, feuriger Sonnenuntergang kurz vor der Grenze zu Montenegro, Piva-See, Mondlandschaft... Die Karte müsste eigentlich irgendwo sein, wo ich die Drohne aus der Tasche genommen habe, denn die sie war ebenfalls in der Tasche und muss rausgefallen sein. Dabei kämen in chronologisch umgekehrter Reihenfolge die aktuelle Unterkunft, der gestrige See im Tal und der gestrige Zeltplatz in Frage.
Hastig durchsuche ich mein Zimmer. Nichts. Mit dem Fahrrad den gestrigen Weg zurückzufahren, steht, angesichts der Kilometer und Höhenmeter und der geringen Erfolgsaussichten auf Wiederfinden, nicht zur Debatte. Ich frage meinen Gastgeber, ob man hier ein Auto mieten könne. Nein, könne man nicht, meint er. So schnell gebe ich nicht auf. Die einzige örtliche Mietstation auf Google Maps entpuppt sich allerdings ebenfalls als nicht existierend. Ich frage bei einer Autowerkstatt nach, vielleicht haben sie ja da ein Auto, das sie mir ausleihen können. Leider nicht. Doch ein Hotel in der Nähe vermiete manchmal ein Auto. Nichts wie hin.
Tatsächlich kann ich ein Auto für einen Tag haben, allerdings zu einem, insbesondere für Montenegro, stolzen Preis von 80 Euro. Das würde sich wirklich nur dann lohnen, wenn ich diese ca. 3 auf 3 cm grosse Plastikbox mit SD-Karte im riesigen Durmitornationalpark finden würde. Das ist nicht eine Nadel im Heuhaufen, das ist eine im Heugebirge. Trotzdem: Irgendwie habe ich einen Funken Hoffnung. Ich setze alles auf eine Karte. Auf eine Speicherkarte gewissermassen. Das Auto ist ziemlich verbeult. Zumindest merkt so niemand etwas, falls ich auch noch eine Beule verursachen sollte. Ich muss weder einen Ausweis zeigen noch meinen Namen nennen, geschweige denn irgendetwas unterschreiben.