Kinder

Als Kind schaut man auf die Erwachsenen um fürs Leben zu lernen, als Erwachsener schaut man auf die Kinder um wieder leben zu lernen.
— Jürgen Krausgruber

19.01.2025

Das kleine Kind im Flugzeug nach Kampala ist bereits ein Vorbote. Wir fliegen in ein Land mit durchschnittlich rund fünf Kindern pro Frau und damit einer der höchsten Geburtenraten weltweit. Wir sehen uns schon stundenlang im Kindergeschrei sitzen. Doch das Kind verhält sich den ganzen Flug erstaunlich ruhig. Was uns im Landeanflug dann sofort auffällt: Wie ausserordentlich grün hier alles ist!

Grün - die Farbe der Fruchtbarkeit. Vielleicht kein Zufall. Doch auch die Farbe der Hoffnung.

Wir hoffen, möglichst rasch eine E-Sim organisieren zu können und zu unserem Hotel zu kommen. Ersteres gelingt, für zweiteres ist Sammy zuständig, den das Hotel geschickt hat. Wir treffen ihn beim Ausgang des Flughafengebäudes. Er dürfe nicht ins Gebäude reinkommen, meint er.

Linksverkehr - für uns gewöhnungsbedürftig.

Wir fahren am Präsidentenpalast vorbei und kommen auf die Politik zu sprechen. Yoweri Museveni heisst der aktuelle Präsident. Und aktuell ist er bereits seit 1986, also seit fast 40 Jahren. Die meisten Menschen in Uganda hätten seit Kindheitstagen gar keinen anderen Präsidenten erlebt, gibt Sammy zu bedenken. Beliebt sei er in der Bevölkerung nicht. Doch offenbar auch nicht so unbeliebt, dass es Versuche gäbe ihn abzusetzen. Er sei Corona-phobisch, plaudert unser Taxifahrer aus dem Nähkästchen. Bereits neun Tage nach der ersten bestätigten Ansteckung im Land gab es einen totalen Lockdown. Sowohl privater wie öffentlicher motorisierter Verkehr war verboten. Und die Kinder durften rund ein Jahr lang nicht zur Schule. Das war eine spezielle Zeit für alle. In Uganda vielleicht noch etwas spezieller. Als wir Sammy von unserer Fahrradreise erzählen, lacht er.

Fahrradfahren sei doch nur was für Kinder!

Sobald erlaubt, fahre man Motorrad oder Auto. Unser Hotel, “Ewaange - a casa mia”, liegt wunderschön auf einem der zahlreichen Hügel von Kampala gelegen, etwas ausserhalb des Stadttrubels.

Umgeben von einem wunderbaren Garten, vom Balkon aus mit Blick bis zum Victoriasee. Sofia hatte sich für ein paar Tage eine solche Oase gewünscht um sich des Stresses der letzten Tage zu entledigen und richtig anzukommen. Erst einmal also "abefahre" statt abfahren.

Das Besitzerpaar stammt aus Uganda und Italien, das Haus hat dementsprechend einen afrikanischen Touch und wird dennoch mit europäischer Gewissenhaftigkeit geführt. Die richtige Mischung um anzukommen. Wir werden gut bekocht, ich lasse es mir dennoch nicht nehmen, Sofia meine auf der Reise neu angeeigneten Benzinkocher-Künste zu demonstrieren. Allerdings kommt dabei der Vorführeffekt zum Tragen: Da wir es beim Füllen der Benzinflasche etwas gut gemeint hatten, fackle ich fast den Holzbalkon ab. Irgendwann lässt sich die Flamme dann aber doch noch löschen und das Linsen Dal geniessen. Auch kommen wir in den Genuss unserer ersten Rolex. Nein, keine Uhr. So werden hier gerollte Eier-Omeletten, gemischt mit Gemüse und oftmals eingerollt in ein Chapati, ein weicher und dünner Brotfladen, genannt. Aus "rolled eggs" wurde Rolex - african style! Die junge Dame im Service, fast noch ein Kind, findet offenbar Gefallen an Sofia und fragt nach ihrer Nummer. Später schickt sie ihr dann Fotos von sich und schreibt "Good night my love".

Als wir James, den Hotelbesitzer, nach Routentipps fragen, gibt er uns die Nummer von Augustine.

Augustine führt die sogenannte Cycling Academy hier in Kampala.

Bei einem Anruf gibt uns dieser zu verstehen, dass er sogleich bei uns im Hotel für einen Austausch vorbeikommen möchte und uns anschliessend gerne auch noch den Cycling Academy Standort in der Stadt zeigen möchte. Na gut, wieso nicht? Wir wähnen uns anfangs dieses Treffens etwas im falschen Film, denn wir merken rasch, dass es ihm nicht darum geht, uns Routentipps zu geben, sondern seine Cycling Academy vorzustellen.

Zu dritt auf seinem Motorrad fahren wir hin.

Wir lernen Leute der Administration kennen und werden dann in einen Raum geführt, wo acht Athletinnen und Athleten um den Tisch sitzen. Alles Kinder und Jugendliche zwischen 10 und 16 Jahren. Auch ein älterer Herr, ebenfalls im Renndress, sitzt da. Er trainiert die jungen Fahrradfahrer*innen. Uns ist nicht klar, was wir hier sollten, was die Erwartungen sind. Augustine hält eine beindruckende Motivationsrede, wobei er betont, dass auf dem Weg zum Erfolg neben der sportlichen Motivation auch die Bildung und Vernetzung wichtig ist.

Wir stellen uns kurz vor, dann stellen uns unsere jungen Gegenüber Fragen. Die Fragen zu unserer Reise können wir gut beantworten. Bei einigen anderen, wie denjenigen, wie man Radprofi wird oder wie man zu einem guten Fahrrad kommt, fühlen wir uns nicht wirklich kompetent, schütteln aber dennoch aus dem Ärmel, was uns dazu in den Sinn kommt. Anschliessend Foto- und Videotermin; sie möchten nämlich ein Video mit uns drehen, worin wir sagen, dass wir die Academy besucht haben und welchen Eindruck wir davon haben. Offenbar bringt unser Besuch für sie einiges an Prestige mit und ist wichtig für die öffentliche Wahrnehmung. Die Fahrräder wurden alle gespendet. Die Fahrradbegeisterten müssen sich darauf abwechseln, es hat nicht genügend Fahrräder für alle.

Parallel zur Cycling Academy wird auch eine Musik-Academy betrieben, wo Kinder und Jugendliche Instrumente lernen können. So wohnen wir auch noch einem kleinen Konzert bei.

Es gehe darum, diesen jungen Menschen Perspektiven zu eröffnen. Ihnen Hoffnung zu geben, meint Augustine.

Grün - die Farbe der Hoffnung. Und der Fruchtbarkeit.

Wir versprechen Augustine, Velafrica von seiner Academy zu erzählen, in der Hoffnung, dass dies auf fruchtbaren Boden fallen wird und daraus etwas erwächst.

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