Unheimlich

Unheimlich nennt man alles, was im Geheimnis, im Verborgnen, in der Latenz bleiben sollte und hervorgetreten ist.
— Friedrich Wilhelm J. Schelling

31.01.2025

Langsam fliesst das Wasser dahin. Wir sind zu viert zu Fuss auf Erkundungstour und stehen vor einem Fluss.

Hannes, der Fahrradfahrer in Gegenrichtung, hatte uns erzählt, hier Elefanten gesehen zu haben, die das fliessende Gewässer durchquerten. Wir laufen durch hohes Gebüsch. Da sehen wir auf einmal Elefantenspuren am Boden. Was, wenn hinter dem nächsten Busch plötzlich ein Elefant hervorkommt? Uns wird unheimlich. Wir kehren um.

Plötzlich trompetet kein Elefant, aber eine Männerstimme aus der nahegelegenen Lodge uns zu: "Mzungus, come here!" Es handelt sich um James, den Besitzer der Lodge und selber ein "Mzungu", allerdings aus einer britischen Diplomatenfamilie. Er ist deshalb in Afrika aufgewachsen und spricht dennoch mit britischem Akzent. Selbst an einem Bier nippend, es scheint nicht sein erstes am heutigen Tag zu sein, offeriert er uns in seinem grossen Holzhaus mit bester Sicht auf den Fluss ebenfalls etwas zu trinken.

Was wir denn zu Fuss am Fluss zu suchen hätten, will er wissen.

Es sei gefährlich, da immer mal wieder Elefanten aus dem auf der Gegenseite des Flusses liegenden Nationalpark kämen. Uns erscheint unser unbedachter Spaziergang im Nachhinein selber als naiv. So rasch kann man sich hier in Gefahr begeben.

Von Dorfbewohnern werden die Elefanten jeweils mit einem Schuss in die Luft zurück in den Nationalpark gescheucht, erzählt uns James redselig. Gelegentlich seien auch Nilpferde im Wasser. Weiter erklärt er uns, dass hier in der Grenzregion zum Kongo jede Unterkunft verpflichtet sei, jederzeit eine Wache mit Schusswaffe zu organisieren. Besteht hier deswegen also auch eine gewisse Gefahr? Auf jeden Fall etwas unheimlich, so nahe an der Grenze zu einem Gebiet im Krieg zu sein.

In seiner Unterkunft hier hat James momentan allerdings keine Gäste, sie brauche eine Generalüberholung, er sei am umbauen. Eine andere in seinem Besitz sei letztes Jahr überschwemmt worden. Der Flusslauf ändere sich immer wieder mal, weshalb sie dem schlängelnden Gewässer zum Opfer gefallen sei. Es könne aber auch sein, dass sich der flüssige Pfad zu seinen Gunsten ändere und er plötzlich mehr Land besitze, ein privates Stückchen Queen Elizabeth Nationalpark hätte er dann gewissermassen. Andere Landbesitzer hätten den Flusslauf auch schon gezielt zu ihren eigenen Gunsten zu verändern versucht. Das mache er nicht, er lasse die Natur Natur sein.

Im Queen Elizabeth Park hatten wir während unserer heutigen Fahrt zwei Buschbrände gesehen.

Wir möchten von James wissen, was es damit auf sich hat. Das seien kontrollierte Brände, meint er. Da es in gewissen Teilen des Parks zu wenig Tiere habe, brenne man das Gras gelegentlich ab, damit neues wächst und die Tiere dahin kommen.

Zu guter Letzt kommen wir auch noch auf das Thema der Wilderei zu sprechen. Die lokale Bevölkerung betreibe Wilderei laut James oft aus einem wirtschaftlichen Grund mangels alternativer Verdienstmöglichkeiten. Man müsse den Leuten andere Perspektiven geben, meint er. Doch eine aktive kontrollierte Regulierung des Wildtierbestandes sei sehr sinnvoll.

Zurück auf unserem Campingplatz gibt es Nachtessen. Eine grössere Gruppe von Vogelliebhabern ist inzwischen auch hier eingetroffen. Hier im Nationalpark lassen sich im Gebiet der Papyrussümpfe tatsächlich besonders gut Vögel beobachten. Dabei kann man auch etliche Zugvögel beobachten, die in Mitteleuropa beheimatet sind. Die Gruppe ist auf einer zweiwöchigen Rundreise durch verschiedene Teile Ugandas unterwegs, immer auf der Suche nach interessanten Vögeln. Ausgerüstet mit Fernglas, Fotoapparat und Vogelerkennungsbuch. Lustige Vögel!

Wir sind weniger um Vögel besorgt, denn um grössere Tiere.

Um nächtliche Tierbegegnungen zu vermeiden haben wir unser Zelt gleich an der Wand zum Restaurant aufgestellt. Dies obwohl uns gesagt wurde, dass hier keine gefährlichen Tiere zu erwarten sind. Doch nach unserem Wasserbock-Erlebnis sind wir vorsichtiger geworden. Sicher ist sicher. Das Zelten gleich neben einem Nationalpark ist uns nach wie vor etwas unheimlich.

Von der Terrasse aus sehen wir hinter Bäumen eine grosse Rauchwolke. Ein Feuer!

Hoffentlich kommt das nicht bis zu unserem Zeltplatz. Erwartet uns jetzt eine ganz andere, wiederum völlig unerwartete, Gefahr? Unheimlich. Mit gewissem Unbehagen schlüpfen wir in unsere Zelte. Darin erleben wir zum Glück doch keine so heisse Nacht wie befürchtet. Wie sich herausstellt sind die Brände offenbar tatsächlich kontrollierter als sie aussehen. Das einzige was uns frühmorgens aufweckt sind laute Stimmen aus dem gleich neben uns liegenden Restaurant.

Als wir am kommenden Tag losfahren, durchziehen Nebelschwaden das hohe Gras. Plötzlich tauchen darin Militärmänner auf. Haben wir etwas verpasst? Immerhin befinden wir uns schon nahe an der Grenze zum Kongo, wo Krieg herrscht. Unheimlich. Langsam fahren wir vorbei. Nichts passiert.

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